Nepal, Kathmandu 3 (Ge- und ungewünschte Überraschungen)

09.11.2010

In der letzten Nacht empfahl uns Michael seine Unterkunft. Dort wären nette Mitarbeiter, eine freundliche Atmosphäre und der für mich ausschlaggebende Punkt: Internetzugriff. So wechselten Thijs und ich vom Hotel Yanki in das Elbrush Hotel auf der anderen Seite von Kathmandu-Thamel.

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Den restlichen Tag erledigte ich ein paar Besorgungen und kutschierte hierfür mit den Fahrradrikschas durch die Gegend. Wie durch einen glücklichen Zufall traf ich urplötzlich Lars wieder – meinen Zimmernachbarn aus der Jugendherberge in Xi’an. Diese Überraschung musste natürlich gefeiert werden.

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Wir verabredeten uns Abends auf einen gesunden Gerstensaft und suchten nach Gehör eine Kneipe aus. Hier tanzten die Touris wortwörtlich auf den Tischen während im Hintergrund eine nepalesische Band Heavy Metal und Rock ’n’ Roll spielte. Ungewöhnlich aber durchaus gut. Später, auf der Suche nach einer neuen Lokalität, wurden wir beim Herausgehen überrascht. Ein nepalesischer Jugendlicher kam angesprungen und begrüßte uns aufs Herzlichste. “Hey friend, how are you? Good to find you again. What’s up?” Gut, dachte ich, das wird wohl ein Bekannter von Lars sein also bin ich mal freundlich.

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Zu dritt gingen wir in die nächste Bar und laberten ein wenig. Plötzlich stellte sich heraus, dass Lars zu Beginn genau das Gleiche von unserer Bekanntschaft dachte – nun, ich war ebenfalls nicht der gute Bekannte von dem Nepali-Jungen. Jetzt saßen wir hier in einer Bar mit unserem neuen besten Freund in der Mitte und fragten uns, was der Kerl eigentlich will. Beim Bezahlen der Rechnung war dies schnell klar. Leider sind wir auf die Masche nicht angesprungen und haben einfach nicht verstanden, dass wir ihn einladen sollten. Der Besitzer wurde leicht fuchsig mit unserem Freund, wovon wir uns nicht beeindrucken ließen. Offenbar kannten die Beiden sich und von daher hätte der Kneipenwirt ja wissen müssen, was für ein Geselle in unserer Mitte saß.
Unser neuer Freund war trotz der Nicht-Einladung verdammt anhänglich geworden. Nun war es jedoch schon kurz vor halb drei Uhr nachts und irgendwann geht auch der spannendste Abend vorbei. Wir begleiteten Lars zu seiner Unterkunft und ich wollte mich via Fahrradrikscha in Richtung meines Hotels machen. Mein größter Fan bestand jedoch unbedingt darauf mich zu begleiten, ich könne ja nachts nicht alleine in Kathmandu sein… … Nun ja, Versuche ihn abzuschütteln halfen nicht und so gesellte er sich neben mir auf die Sitzbank – man glaubt ja schließlich an das Gute im Menschen. Dennoch hielt ich während der Fahrt meine Hände auf den Taschen mit Portemonnaie und Kamera. Trotz dessen der Kamerad nicht so viel getrunken hatte, tat er auf besoffen und wurde ungemütlich anhänglich. “Hey, you are my best friend!” …er legte meinen Arm um die Schulter. “You are so cool! I can help you to show around.” …und kam mir ziemlich auf die Pelle gerückt. Meine Antwort war weniger freundlich, weil er mich echt auf den Zeiger ging: “Listen, I’m not gay, so please keep your distance or go away! You understand?” “Ok, ok, brother, sorry” …sagte er, positionierte sich ein wenig um, ließ jedoch immer noch seinen Arm um meine Schulter. “And, I’m NOT your brother!“ …erwiderte ich nun deutlich verärgert über seine penetrante Art. Ich nahm seinen Arm von meiner Schulter und schob ihn weg – und plötzlich, ganz plötzlich fiel mir der Reißverschluss meines Pullis auf. Nie, aber auch nie habe ich in unbekannten Gegenden meine verschließbaren Taschen geöffnet. Warum war also auf einmal die linke Jackentasche meines Pullis geöffnet? Ohne auch nur nachzuschauen, ob etwas fehlte, blaffte ich ihn mit Worten an, die ich öffentlich nicht wiedergeben mag. Der Rikscha-Fahrer stoppte sofort, um nachzusehen was da los war. Mein Kollege antworte mit dem Gesicht der bloßen Entsetzung: “Hey brother, I’m not a thief, I didn’t steal you. I like you. You’re my best friend. I’ve nothing from you. Believe me. I’m honest.” Da ich mir aber ziemlich sicher war, dass sich meine Tasche nicht von selbst geöffnet hat und seine Annäherungsversuche offenbar nur diesem einen Zweck dienten, ließ ich nicht locker und gab ihm dies auch unmissverständlich zu verstehen. Als er keinen Ausweg mehr sah, griff er langsam in seine Hosentasche und holte ein Paket Taschentücher hervor – meine Taschentücher! Ich war fassungslos. Hatte der Depp mir doch tatsächlich Taschentücher geklaut??! Hätte er danach gefragt, hätte ich sie ihm gerne geschenkt, aber so… Zudem war es sicher nicht seine Intention es dabei zu belassen. Perplex griff ich meine Taschentücher und forderte ihn prophylaktisch auf, mir auch die restlichen Dinge zu geben. Der Rikscha-Fahrer hatte den Ernst der Lage erkannt, kam unterstützend dazu und durchsuchte den Typen. An seinem Gesichtsausdruck jedoch erkannte ich, der Kerl hat nix mehr. Dieser Abend wahr wohl ein Flop für ihn. Brüskiert gab ich ihm zu verstehen, er solle sich eine anständige Arbeit suchen, dankte dem Rikscha-Fahrer für seine Unterstützung und ging die letzten Meter zum Hotel zu Fuß.
*knock*knock* klopfte ich an das Gitter. Immer noch gereizt, grummelte ich vor mich hin und wartete auf den Nachtwächter zum Öffnen des Tors. Plötzlich verspürte ich einen leichten Klapps auf den Hintern. “Hey Sweetie, how are you?” hörte ich eine attraktive Frauenstimme sagen. Erschrocken drehte ich mich um und erwiderte lediglich “What???”. Vor mir standen zwei wirklich ansehnliche Frauen um die 25, die keinesfalls wie Prostituierte aussahen. “Hey, you look so cute, common let’s go for a drink together.” Während sie das sagte, musterte sie mich von oben bis unten und strich sich dabei mit der Zunge über die Lippen. “What?” – mehr konnte ich wirklich nicht sagen. Was geht denn hier ab, dachte ich. “Common Sweetie, I like you, I like you a lot.” …erwiderte sie und packte mit ihrer Hand an meine Hüfte. Heidewitzka – sollte ich Lachen oder Weinen war die Frage. Sie sah wirklich attraktiv aus und wusste offenbar was sie will… “Uhhh, I like your body and your sweet face.” gurrte sie mir zu …aber dennoch… ich gehe bestimmt kein unnötiges Risiko ein… Außerdem konnte ich eh nicht mehr als “What?” sagen. Mittlerweile war mir die Dame bedrohlich nahe gekommen und ich klebte mit dem Rücken schon am Torgitter. Wann kommt denn nur endlich der Nachtwächter? Oder sollte ich es riskieren? Nein, im Leben nicht! Sie umfasste mit beiden Händen meine Hüfte und hauchte mir ins Ohr “Honey, please touch me, please, you’re so attractive.” – Stopp! – Gedankenpause – Was geht hier eigentlich ab? – Bitte versetzt Euch in meine Lage. Vor wenigen Minuten wurde ich fast bestohlen und jetzt klebt eine hübsche Unbekannte an mir und will mich auf nächtlicher Straße flach legen. Ist hier irgendwo die versteckte Kamera??? Können diese Eindrücke noch getoppt werden? …
“Hey, hey!” hörte ich hinter dem Gitter rufen und der Nachtwächter kam angerannt, um mir schnell das Tor zu öffnen. Erleichtert schlüpfte ich hindurch und hörte im Hintergrund “Hey Sweetie, come back, we can have a lot of fun, you’re so cute, please come back, I like you a lot, we both can show you unforgettable things.” Ich drehte mich um, betrachtete die beiden Hübschen und dachte nur, ja, das glaub ich euch – dennoch ist mir das zu risikoreich. Der Nachtwächter drehte sich mit ernster Mine zu mir um und versetzte mich mit wenigen Worten in einen Zustand unbeschreiblicher Angst: “Sir, you must be careful. This are gents.” … … … … … … … … … … … … “WHAT???!!!” (Irgendwie konnte ich die letzten Minuten nicht mehr sagen.) Ich drehte mich um und betrachtete die Beiden, welche immer noch am Tor hinter mir herriefen. Die sahen nun wirklich nicht wie Geschöpfe des männlichen Geschlechts aus. “Sir, ladyboy, sir.” sagte der Wächter ergänzend.
Völlig schockiert und zitternd bewegte ich mich die Treppen rauf. Was wäre passiert, wenn der Nachtwächter nicht rechtzeitig das Tor geöffnet hätte? Irgendwie fühlte ich mich von der überaus direkten Anmache der beiden Transfrauen nahezu vergewaltigt. Thijs war noch wach. Mit einem rasenden Puls erzählte ich ihm die Erlebnisse der vergangenen zehn Minuten. …wie viel kann ein Mensch in so kurzer Zeit erleben… Mit offenen Augen lag ich im Bett und starrte die Decke an. Am nächsten Morgen war ich zwar immer noch fassungslos über die letzte Nacht, konnte jedoch schon darüber lachen. Zu dem “Tatzeitpunkt” und die Stunden danach war ich jedoch echt geschockt. Nun ja, so langsam bewege ich mich immer weiter in andere Kulturen und mit Sicherheit war das nicht das letzte unvergessliche Erlebnis meiner Reise…


Weiterführende Links:

  1. Fahrradrikscha – Standardfortbewegungsmittel in weiten Teilen Asiens
  2. Gerstensaft – Ein beliebtes Getränk in Deutschland und auch anderswo
  3. Heavy Metal – Musikrichtung des Schwermetalls
  4. Rock ’n’ Roll – Protestmusikstil aus den “US und A”
  5. Ladyboy – Zwischen den Geschlechtern
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